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Als Preliminary Coin Providing (ICO) bezeichnet man das Einwerben von Kapital über das Web gegen Ausgabe der namensgebenden „Coin“. Die Emission erfolgt dabei über die Distributed Ledger Technologie (DLT, bekanntestes Beispiel ist die Blockchain). Zwischen 2013 und 2019 hat der Bereich eine Marktkapitalisierung von etwa 150 Milliarden US-Greenback entwickelt.
Das klassische ICO
Weltweit haben bereits zahlreiche Begin-up-Unternehmen dieses Instrument zur Kapitalbeschaffung genutzt. Teils auch solche Unternehmen, die nichts weiter als eine grobe Geschäftsidee vorzuweisen hatten, welche in einem Whitepaper umschrieben wurde. Bei einem typischen ICO handelt es sich im Grunde um die Ausgabe unregulierter virtueller Recheneinheiten (Überbegriff: Zeichen) gegen Einzahlung eines bestimmten Zeichnungsbetrages in Kryptowährung (ebenfalls Recheneinheiten) in eine Pockets (virtuelles Konto) des Unternehmens, welches das ICO durchführt.
Häufig werden mit den ausgegebenen Cash (oder Token) Rechte verbunden. Anhand dieser lassen sich die Token grob kategorisieren:
- Werden dem Token Partizipationsrechte am späteren Unternehmenserfolg, ein fester jährlicher Zins oder auch eine Kombination aus beidem zugeordnet, so spricht man von einem Sicherheitstoken.
- Werden Nutzungsrechte im Weitesten vergleichbar einem Gutschein für zukünftig angebotene Produkte oder Dienstleistungen versprochen, so handelt es sich um einen Dienstprogramm-Token.
- Die Kombination aus diesen beiden Token-Formen nennt sich schließlich Hybrid-Token.
Wilder Westen der Unternehmensfinanzierung
Beim klassischen ICO erfolgt allerdings keine standardisierte Info der Anleger, die über das die Geschäftsidee umschreibende Whitepaper hinausginge. Es gibt keinen Wertpapierprospekt, keine veröffentlichten Unternehmenskennzahlen (die häufig auch noch nicht vorliegen), keine Plausibilitätskontrolle oder gar Due Diligence und keine oder nur wenige Risikohinweise. Zudem sind die Investoren nicht abgesichert – sieht man von den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zum Schadensersatz ab, die sich im Schadensfall möglicherweise nicht vollstrecken lassen.
Bei der ICO-Welle der 2010er Jahre handelte es sich, drastisch gesprochen, um die Rückkehr in den Wilden Westen der Unternehmensfinanzierung. Nachdem Briefkastenfirmen in den vergangenen Jahren teils in betrügerischer Absicht Millionenbeträge von Privatanlegern eingeworben hatten, zahlreiche ICO-Anleger einen Totalverlust erlitten haben und der Hype um Bitcoin und Co. insgesamt etwas abgeklungen ist, kippte die Stimmung bei den Anlegern zusehends. Auch die Aufsichtsbehörden überall auf der Welt, die mit teils weitreichenden Maßnahmen unregulierte ICOs einzuhegen versuchten, haben dazu beigetragen, dass der Terminus „ICO“ zwischenzeitlich eher negativ konnotiert ist.
Einschlägige Branchenseiten beziffern das weltweit im Jahr 2018 im Rahmen von ICOs eingeworbene Kapital auf immer noch etwa 7,8 Milliarden US-Greenback. Im Jahr 2019 allerdings wurden weltweit (Stand: Ende Dezember) gerade einmal etwa 371 Millionen US-Greenback durch ICOs eingeworben.
Die Technologie hinter den ICOs
Bei aller berechtigter Kritik an den ICOs der vergangenen Jahre muss man doch differenzieren zwischen der Technologie als solcher und der konkreten Umsetzung. Die Distributed Ledger Technologie (DLT) ermöglicht es, nach vorab festgelegten Parametern durch sogenannte Intelligente Verträge automatisiert Token auszugeben. Ein Anleger kann einen solchen Token „zeichnen“ und einen festgelegten Betrag bestimmter Krypto- oder Fiat-Währungen auf ein Konto oder eine Pockets des Emittenten überweisen.
Die dem Token zugeordneten Rechte sind nunmehr durch den Inhaber des Tokens – jedenfalls technisch – ohne Weiteres auf einen anderen Inhaber übertragbar. Der Token selbst ist damit handelbar. Die dem Token zugeordneten Rechte, zum Beispiel laufende Zinszahlungen oder endfällige Rückzahlungen, bleiben auch nach einem Inhaberwechsel gewahrt und werden automatisch der Pockets des neuen Inhabers zugeordnet.